Apfelkuchen wurde von uns lange Zeit sträflich vernachlässigt. Warum, weiß ich gar nicht so genau. Vielleicht lag es daran, dass Äpfel ohnehin nicht zu unserem allerliebsten Obst zählen oder wir in der Vergangenheit zu oft zu langweilige und zu trockene Apfelkuchen auf dem Teller hatten. Doch offenbar ist dieser Herbst prädestiniert für ein Apfelkuchen-Comeback, denn schon dreimal innerhalb der letzten Wochen breitete sich der Duft gebackener Äpfel in der Wohnung aus. Es gab ihn mit einer dicken Schicht Pudding und Streuseln vom Blech (höchst unfotogen, aber köstlich), als Apfelweinkuchen, den ihr schon kennt, und an einem frühen Novemberwochenende in einer Variante, die den anderen gefährlich werden könnte: als Apfel-Zimt-Kuchen mit Streuseln.
Winter
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Noch als wir ins Auto steigen, sind wir uns nicht ganz sicher, ob Anfang März wirklich der richtige Zeitpunkt ist, um in die Berge zu fahren. Vor allem dann, wenn man nicht mal Skifahren möchte. Doch nach wochenlanger Kälte meint es das Wetter endlich gut mit uns. Am Sylvensteinsee, kurz vor der österreichischen Grenze, blitzt die Sonne auf und wir genießen kurz das Bilderbuchpanorama aus blauem Himmel, gefrorenem See und schneebedeckt glitzernden Bergen. Bis zu unserer Abreise aus Tirol wird es glücklicherweise so schön bleiben und wir werden zwei Tage lang mit der vollen Dröhnung Vitamin D versorgt. Das gute Wetter lockt außerdem alle Wintersportler_innen noch ein letztes Mal aus den Häusern, so scheint es zumindest, als wir uns unserem Ziel Achenkirch nähern und aufpassen müssen, keine Skifahrer_innen, Snowboards und Schlitten aus Versehen mitzunehmen. Doch den am Sonntagmittag überlaufenen Ortskern lassen wir erst einmal hinter uns, fahren an der Skipiste vorbei und den Hang hinauf, auf dem das Hotel Das Krohntaler über dem Dorf thront.
Während andere sich um diese Jahreszeit bemühen, dem Winter langsam zu entkommen und wild dem Frühling, Ostern und dem ersten Bärlauch zujubeln, stecke ich schon wieder mitten in der Vorweihnachtszeit und umgebe mich mit Glühwein, Lichterketten und Bratäpfeln. Der lange Vorlauf, den Buchprojekte benötigen, bringt nicht selten ein antizyklisches Arbeiten gegen die Jahreszeiten mit sich. Der Winter beginnt für mich also noch mal von vorn – ein bisschen deprimierend, sehne ich doch gerade nichts so sehr herbei wie Frühlingsduft, Sonnenstrahlen und die erste Spargelpasta. Was ich brauche, sind sonnige Gedanken, und die fließen am besten, wenn sich ein ebenso sonniges Stück Kuchen auf meinem Teller befindet – mit Blutorangen, Blutorangen-Curd und Blutorangenkaramell. Na, erkennt ihr ein Muster?
Tief hinten in der Speisekammer steht ein Karton, den wir viel zu selten öffnen. Darin versteckt: unsere Nudelmaschine. Monatelang wird sie vernachlässigt, bis irgendwann die Lust auf frische Pasta (die bei uns eigentlich allgegenwärtig ist) nicht mehr ignoriert werden kann. Dann verkneten wir Mehl, Hartweizengrieß, Öl und ein paar wenige andere Zutaten, kurbeln was das Zeug hält und ärgern uns! Wir ärgern uns darüber, dass wir uns nicht viel öfter die Zeit nehmen, Ravioli, Tortellini, Bandnudeln und Konsorten selbst zu machen, denn im Grunde braucht es nicht viel – weder an Zutaten noch an Zeit – und der Nudelteig ist blitzschnell zubereitet. Etwas aufwendiger gestaltet sich das Ganze, wenn man, wie wir, auf gefüllte Pasta steht und dem Nudelteig farblich etwas auf die Sprünge helfen will. Wir haben die Grautöne des Winters satt und wollen Farbe auf den Teller bringen.
Wenn ich ein Gemüse verabscheue, dann ist es Rosenkohl! Das dachte ich zumindest die letzten 37 Jahre. Bis ich im letzten Jahr den Mut hatte, in einer lauen Frühlingsnacht in New Orleans einen Salat mit rohem Rosenkohl zu bestellen. Mit Jazz im Ohr und dem zweiten Weinglas vor mir – was sollte da schon schiefgehen? Nichts, wie sich zeigte! Denn in roher Form und ganz fein geschnitten (psychologisch übrigens sehr wirksam, das ungeliebte Gemüse bis zur Unkenntlichkeit zu zerkleinern!) fand ich die Rosenkohlblätter plötzlich sogar ziemlich gut. Kein Vergleich zu den verkochten, bitteren Bällchen, die ich aus meiner Kindheit kannte – den penetranten Geruch, der durch das Haus zog, wenn meine Oma Rosenkohl kochte, habe ich heute noch in der Nase.
Nach der Feiertagsvöllerei der vergangenen Wochen, die mal mehr, mal weniger Käse, Zucker und Alkohol sowie aufwendige Kocheskapaden beinhaltete, kehrt hier im Januar wieder etwas Ruhe ein. Statt Ausschlafen sind frühes Aufstehen und (oft vergebliches) Hoffen auf die Pünktlichkeit der Münchner S-Bahn angesagt. Auch in der Küche darf es am Jahresanfang wieder schneller und unkomplizierter zugehen. Und wenn ein ganz einfaches Gericht es dann noch schafft, einen bunten Hauch Fernweh in den grauen deutschen Winter zu bringen, umso besser! Unser orientalischer Milchreis duftet und schmeckt nach Zimt und Kardamom, wird mit Datteln und Dattelsirup (ein letztes Überbleibsel aus Tel Aviv) gesüßt und von knackigen Pistazien gekrönt. Das Ganze funktioniert natürlich auch als Nachtisch, doch bei uns kommt Milchreis immer als vollwertige Mahlzeit auf den Tisch.
Cocktails sind wie Superhelden. Sie brauchen eine “Origin Story”. Ein Ereignis, das sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Batman erlebt als Kind die Ermordung seiner Eltern mit, Superman entkommt als Säugling der Zerstörung Kryptons (inklusive dem Tod seiner Eltern) und Frank Castle wird zum Punisher, als seine Familie getötet wird (hm, ich erkenne da ein Muster: Death by Origin Story). Bei Cocktails und Drinks geht es in der Regel unblutiger zu, aber auch hier hören wir oft Erzählungen aus einer mythenumwaberten Vergangenheit. Der Negroni hat seinen Grafen Camillo Negroni, für den Fosco Scarselli einen Americano mit Gin kombinierte, und bei Benton’s Old Fashioned heißt es, dass der Erfinder Don Lee seine Fatwashing-Experimente mit Bourbon und Bacon nur zu Hause und nicht in der Bar durchführen durfte.
Zwischen süßem Adventsgebäck hier und immer näherrückendem Weihnachtsmenü dort, das sogar in voller Gänze noch geplant werden möchte, bleibt trotz der ersten Urlaubstage gerade nicht viel Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. In weiser Voraussicht (oder war es nur ein blöder Zufall?) wurden letzte Woche zwei Bleche Granola in und aus dem Backofen geschoben. Darin wurde alles versteckt, was nach Weihnachten roch und die Speisekammer hergab. Herausgekommen ist ein schnelles, winterliches Bratapfel-Granola mit Äpfeln, Mandeln und Cranberrys. Gesüßt wird mit aromatischem Ahornsirup (die Reste aus Vermont verabschieden sich langsam), und fertig ist der zur Jahreszeit passende Start in den Tag. Das nach Zimt und Nelken duftende Knuspermüsli landet bei uns vor allem mit Quark oder Joghurt in der Frühstücksschüssel. So bleibt mehr Zeit für die vielen anderen Dinge, die in den letzten Tagen vor dem Weihnachtsfest plötzlich noch ganz dringend erledigt werden wollen.