Ab Oktober verschwindet für gewöhnlich meine Lust auf Salat. Wenn die Fingerspitzen beim Tippen auf der Tastatur schon zu kleinen Eisstäbchen erstarren, ist ein frischer Rohkostsalat nicht gerade das erste, nach dem es mich nach einem langen Arbeitstag gelüstet. Herbstlich möchte ich mein Essen, und wenn möglich auch bitte warm! Doch nachdem unser Salat mit Belugalinsen, Ofenkürbis, Schafskäse und Orangendressing lange Zeit zu meinen liebsten Herbstgerichten zählte, suche ich erneut nach einem Kompromiss, der mir knackigen Salat und warme, herbstliche Zutaten auf den Teller bringt. Entstanden ist dabei ein veganer Herbstsalat mit Rosmarinkürbis, Dinkel, Apfel und Pekannüssen, dazu ein Dressing mit Zitrone und Ingwer, die gleich noch dafür sorgen sollen, dass Erkältungsviren einen großen Bogen um mich und meinen Herbstsalat machen.
Vegetarisch
Sauerteigbrot und ich. Unsere Beziehung: kompliziert. Eine Scheibe frisches Sauerteigbrot mit Butter und etwas Salz esse ich für mein Leben gern. Doch in der Küche harmonieren wir nicht gut miteinander. Ich habe des Öfteren Sauerteige angesetzt. Mal ist er gleich in die Hose gegangen, mal – okay, nur einmal – ist ein unansehnliches, aber geschmacklich gar nicht mal so übles Brot daraus entstanden. Doch es war eine schwere Geburt, die uns beide traumatisiert zurückließ. Offenbar bin ich nicht gut darin, etwas am Leben zu erhalten, das nicht auf sich aufmerksam machen kann. Katzen – kein Problem! Penetrantes Geschrei plus Verfolgung durch die ganze Wohnung = Fütterungszeit. Bei Pflanzen sieht es da schon anders aus, weshalb wir unsere Wohnung nur noch mit Orchideen teilen, die es einem locker verzeihen, wenn man ihnen mal vier Wochen keine Beachtung schenkt. Sauerteig verlangt da doch etwas mehr Aufmerksamkeit und fordert sie leider nicht lautstark ein. Kurzum: Ich vergesse ihn, er ist beleidigt, ich bin nachtragend.
Sandwiches gehören meiner Meinung nach zu den unterschätzteren Gerichten. Wo Burger den Sprung zum Hipster-Food mit Läden bis in die hinterletzte Kleinstadt geschafft haben, ist den kleinen Geschwistern der ganz große Durchbruch bislang verwehrt geblieben. Höchstens die vietnamesische Variante Bánh mì hat es zu gewissem Ansehen gebracht. Ich muss zugeben, auch in unserer Küche sind Sandwiches mehr Notfalllösung als bewusste Kochentscheidung, bei der die Überbleibsel aus Kühlschrank und Speisekammer zusammengeschmissen werden – glücklicherweise sind die Ergebnisse dennoch meist recht ansehnlich. Dabei kann ein einfaches Sandwich doch so gut sein! Wir denken heute noch mit Freude an einen Abend in Fort Myers Beach, Florida, zurück, an dem uns der nicht aufhörende Regen an die Theke eines kleinen Restaurants gespült hat. Dort verbrachten wir mit einer Handvoll anderer Gäste, einem redseligen Koch mit Stand-up-Qualitäten und dem wohl besten Grilled Cheese Sandwich der Welt wunderbare Stunden – dem Sandwichgott sei Dank!
Es gibt Zeiten, in denen stehen wir fast jeden Abend in der Küche und kochen neue aufregende Gerichte. Da fahren wir quer durch die Stadt, um die eine fehlende Zutat zu kaufen, die es nur in diesem einen weit entfernten Laden gibt. Da springen uns die Ideen aus Kochbüchern, Blogs und Erinnerungen geradezu entgegen, und ein schnelles Scrollen durch Pinterest genügt als Inspiration für ganze Menüs. In solchen Momenten stört es uns auch nicht, wenn es mal länger dauert und uns der Hawaii-Burger mehrere Stunden an den Herd fesselt. Leider ist heute kein solcher Tag. Ehrlich gesagt, ist es schon eine Weile nicht so. Ein neues Projekt im Job, das viel Aufmerksamkeit verlangt. Ein altes Projekt im Job, das noch mehr Aufmerksamkeit bräuchte. Und ein wenig Freizeit wäre ja auch noch ganz schön. Dementsprechend eintönig sieht es kulinarisch bei uns aktuell aus. Viele einfache Favoriten aus unserer Alltagsküche landen auf dem Tisch und leider keines der spannenden Rezepte aus The Food Lab*, das in den wenigen freien Minuten vor dem Einschlafen noch mal zur Hand genommen wird.
Wir gehören nicht gerade zu den Menschen, die sich ab 30° C im Sommer nur noch von Wassereis und Ventilatorenluft ernähren können. Spätestens nach dem zweiten Salattag in Folge meldet sich die Lust auf etwas Deftiges zurück. Ja, auch vor Käsespätzle im Biergarten schrecken wir nicht zurück. Was jedoch abnimmt, ist die Lust, lange in einer überhitzen Küche zu stehen. Am besten Kombinieren lassen sich die beiden Wünsche in Form einer sommerlichen Pizza. Leicht, nicht zu überladen, mit einer überschaubaren Menge an frischen, saisonalen Zutaten und kross dünnem Teig. Zucchini, Dill, Feta, fertig.
Trotz der reduzierten Zutaten vereinen sich auf der Zucchinipizza unsere frühkindlichen Vorlieben und Abneigungen. Denn wenn man Steffen fragt, welches Gemüse er als Kind so gar nicht mochte (abgesehen von seinem restlos überwundenen Fencheltrauma), kommt wie aus der Pistole geschossen: Zucchini! Er kann dann jedes Mal eine neue Geschichte erzählen, die erklärt, warum das grüne Gemüse lange Zeit für ihn tabu war. Inzwischen hat er sich mit dem Kürbisgewächs einigermaßen versöhnt und mag es nicht nur als Pizzabelag hin und wieder sogar ganz gerne. Ganz anders verhält es sich mit mir und Dill, denn das war Liebe auf den ersten Duft. Seit meiner Kindheit bin ich verrückt danach – ich vermute, der Gurkensalat meiner Oma war daran nicht ganz unschuldig. Bis heute bringt mich der Geruch von Dill fast um den Verstand und ich reagiere auf das Kraut fast so wie Katzen auf Katzenminze (ja, ich kann mich wirklich nur gerade so davon abhalten, mich darin zu wälzen). Also, liebe Duftkerzen- und Duschgelhersteller, setzt auf Dill! Ich kauf euch alles ab. Bis es so weit ist, muss es die Pizza richten, deren Dillduft, die Wohnung derzeit regelmäßig erfüllt.
In meiner Kindheit gab es bei uns zu Hause die schöne Tradition, dass wir uns am Geburtstag wünschen konnten, was es zum Mittagessen geben sollte. Ich kann mich dabei vor allem an zwei Gerichte erinnern, die es mir besonders angetan hatten: Nürnberger Rostbratwürste mit Kartoffelbrei und Pfannkuchen. Wer hier und auf anderen Kanälen aufmerksam mitliest, dem dürfte aufgefallen sein, dass die Liebe zu Pfannkuchen, Pancakes und Crêpes meine Kindheit überdauert hat und es bis heute wenig mehr braucht, um mich glücklich zu machen. Die Pfannkuchen meiner Mutter waren dünn und buttrig, kamen mit Preiselbeeren oder Zucker und Zimt auf den Tisch. Als ich in die erste eigene Wohnung zog, war das Rezept mit im Gepäck. Noch immer vertraue ich auf diese Kombination, habe aber gleichzeitig gelernt, dass es noch so viele andere Varianten von diesem für mich ersten Soul Food gibt. Ich träume noch heute von den holländischen Pannekoeken mit feinen Apfelscheiben und Calvados in Amsterdam und auch kein USA-Urlaub darf ohne Pancakes zum Frühstück vergehen. Auch herzhafte Pfannkuchen verirren sich recht häufig in unsere Küche.
Der Frühling setzt mich unter Druck. Die ersten Sonnenstrahlen bringen so viele tolle Gemüse- und Kräutersorten hervor, die stets damit drohen, schon bald wieder zu verschwinden. “Iss mich, iss mich!”, tönt es aus den Gemüseabteilungen, von den Marktständen und Feldern. Während ich noch dabei bin, Spargel und Bärlauch in rauen Mengen zu verarbeiten, vergesse ich fast ihren italienischen Kollegen, der einem in Supermärkten fast gar nicht, dafür auf Märkten immer häufiger begegnet: Barba di Frate.
Mönchsbart, Agretti, Salzkraut – das grüne, auf den ersten Blick nach Schnittlauch aussehende Gewächs, das sich auf salzhaltigen Böden in der Nähe des Meeres besonders wohlfühlt, trägt viele Namen. Für mich schmeckt Barba di Frate nach Sommerurlaub und Meer – frisch, ein bisschen mineralisch und salzig – und ist deshalb in der leichten Spätfrühjahrsküche bestens aufgehoben. Ein Bissen und die Sehnsucht nach Italien, Spanien oder Südfrankreich ist geweckt. Bis Anfang Juni besucht uns das Wildgemüse aus Italien; wenn ihr es auf dem Teller treffen wollt, müsst ihr euch also beeilen.
Kopfüber in die Spargelzeit: Spargelsalat mit Erdbeeren, Avocado, Pekannüssen & geröstetem Knoblauch
Mitten in der Spargel- und Bärlauchsaison für mehrere Wochen das Land zu verlassen, war nicht unbedingt eine unserer besten Ideen. Seitdem wir aus dem Urlaub zurück sind versuchen wir also, die verpassten Spargelgelage aufzuholen und verstecken fleißig in jedem Essen ein paar Stangen. Mal grün, mal weiß, manchmal gemischt. Doch weil der Geist noch irgendwo zwischen Palmen und Berggipfeln festhängt und derzeit eher einem Sumpfgebiet gleicht, wenn es darum geht, sich neue Rezepte auszudenken, greifen wir vor allem auf Erprobtes zurück. Spargellasagne – die geht ja immer! –, Pasta mit Spargel, Minze und Mandeln oder Salate. Dabei wird auch mal ein verwackeltes Handyfoto von einem der Lieblingssalate aus dem vergangenen Jahr auf dem Teller rekonstruiert – was war da noch mal drin? Spargel aus dem Ofen? Avocado, Feta … ach ja, und Erdbeeren! So traurig es ist, dass sich die Spargelzeit im Juni schon wieder verabschiedet, ergeben sich bis dahin doch noch einige Gelegenheiten für die ein oder andere spätfrühlingshafte Party auf dem Teller. Zu Erdbeeren und Spargel gesellen sich ein paar Nüsse, bombastisch viel Knoblauch (aber keine Angst, er kommt aus dem Ofen und ist somit etwas milder) und ein schnelles Zitronen-Honig-Dressing. Mit etwas Glück genießen wir die restliche Spargelzeit abends auf dem Balkon – und wenn das Wetter doch nicht mitspielt, stehe ich eben spargelknabbernd am Bügelbrett (unsere Tischdecke hätte es nötig …).