Ein tiefes Hellblau strahlt mir entgegen, wenn ich aus dem Fenster schaue. Darunter puffig weiße Wölkchen, die aussehen, als würden sie einen begleitet von einem leisen “Boioioing” zurückfedern, wenn man auf sie fiele. Ich glaube, das ist der erste Blogpost, den ich in der Luft schreibe. Gut 12.000 Meter über dem Boden, mit einem mich anknurrenden Magen und Bangen vor dem, was ich gleich als Mittagessen verkauft bekommen werde, gelüstet es mich nach einem Risotto. Etwas Frühlingshaftes und Frisches, mit grünem Kerbel, leichten Zitrusnoten und einem pochierten Ei, das sich über dem schlotzigen Risottoreis ergießt. Dafür gäbe ich jetzt viel. Während ich auf einem pappigen Cracker herumkaue und meinem Sitznachbarn beim Schnarchen lausche, liegt mein Kerbel-Zitronen-Risotto mit pochiertem Ei jedoch in weiter Ferne. Ganz bei mir ist dafür die Gewissheit, dass mich in etwa acht Stunden und in den kommenden zwei Wochen unzählige kulinarische Highlights erwarten werden. Das ist doch auch was. Und bis dahin werden es der Cracker und ich auch irgendwie überleben.
Vegetarisch
Vielleicht habt ihr es bereits auf Instagram gesehen – vor gut einer Woche sind wir in den Flieger gestiegen und haben mal eben den Atlantik überquert. Denn die in den letzten drei Jahren gesetzten Google-Maps-Markierungen für New York haben derart überhandgenommen, dass wir der Stadt einfach noch mal einen Besuch abstatten mussten. Morgen verlassen wir New York allerdings schon wieder und werden uns bislang unbekannte Ecken Neuenglands erkunden. Wie ihr sicher bereits bemerkt habt, liegt uns auf unseren Reisen das Kulinarische besonders am Herzen und auch diesmal sind wir gespannt, welche neuen Gerichte, Geschmackskombinationen, Gemüsesorten (wir hoffen auf ein ähnliches Erweckungserlebnis wie bei den Fiddleheads in Portland) und Biere wir entdecken werden.
Riecht ihr das? Diese laue, würzige Brise, die an euch vorbeizieht, wenn ihr im Grünen unterwegs seid? Dieser Hauch von Knoblauch, der in der Luft liegt? Es ist Bärlauchzeit – und der wilde Knoblauch scheint alles zu geben, um auch dem Letzten verständlich zu machen, dass er jetzt in einem Pesto oder auf einer Pizza landen möchte. Obwohl die Saison noch jung ist, sind wir bereits einige Male bis über beide Ohren im Grün abgetaucht. Ja, das kann man wörtlich nehmen, denn beim Sammeln auf “unserem” Waldstückchen (na gut, Sabine und Carla dürfen dort auch ein bisschen ernten) ertrinken wir regelmäßig fast in einem Meer von Bärlauch.
Frühling und Winter scheinen sich in diesem Jahr nicht so ganz einig zu sein, wer wann beginnen und aufhören darf. Auf die furchtbar frostigen Wochen im Februar folgten einige warme Tage, dank derer wir blauäugig dachten, die Zeit von Eis und Schnee wäre vorbei. Zu früh gefreut, denn der März hat noch mal alles gegeben und mit eisigem Wind und Schneefall den Frühlingsbeginn nach hinten verschoben. Doch seit einigen Tagen wagen sich dank steigender Temperaturen die ersten Knospen aus dem Boden. Das sollte gefeiert werden und zu einem richtigen Fest gehört natürlich auch ein Kuchen! Zum Glück haben wir in Ottolenghis “Sweet” das perfekte Übergangsgebäck gefunden: einen Pastinakenkuchen mit Pekannuss, Orange und Anis.
Die Osterfeiertage nahen (in diesem Jahr wirklich früh) und vielerorts macht man sich schon Gedanken über das Essen. Bei uns zu Hause war es der Osterbrunch am Sonntag, der im Mittelpunkt der Osterfeiertage stand und zusammen mit der Eiersuche ein echtes Frühlingshighlight bildete. Im Nachhinein betrachtet haben wir meine Mutter eventuell ein paar Jahre zu lange Eier und Süßigkeiten verstecken lassen (bis ich Ende 20 war, hust), aber ich schiebe das mal auf meinen kleinen Bruder. Der ist immerhin sieben Jahre jünger und es wäre unfair gewesen, wenn er schon mit 13 Jahren nicht mehr hätte suchen dürfen. Nach der Eiersuche im Haus und Garten waren dann natürlich alle scharf auf ein umfangreiches Frühstück. Auch wenn die Zeiten des gemeinsamen Familienosterfestes nun doch schon eine Weile hinter uns liegen, ist das Osterfrühstück für uns nach wie vor eine schöne Tradition, nur findet es mittlerweile in anderer Konstellation statt. Als mich das ZDF kürzlich fragte, ob ich nicht noch einmal Lust hätte, für die Küchenträume der Sendung “Drehscheibe” ein Osterrezept zu entwickeln, das sich gut als Mitbringsel zu einem Büfett eignet, musste ich nicht lange überlegen.
Tief hinten in der Speisekammer steht ein Karton, den wir viel zu selten öffnen. Darin versteckt: unsere Nudelmaschine. Monatelang wird sie vernachlässigt, bis irgendwann die Lust auf frische Pasta (die bei uns eigentlich allgegenwärtig ist) nicht mehr ignoriert werden kann. Dann verkneten wir Mehl, Hartweizengrieß, Öl und ein paar wenige andere Zutaten, kurbeln was das Zeug hält und ärgern uns! Wir ärgern uns darüber, dass wir uns nicht viel öfter die Zeit nehmen, Ravioli, Tortellini, Bandnudeln und Konsorten selbst zu machen, denn im Grunde braucht es nicht viel – weder an Zutaten noch an Zeit – und der Nudelteig ist blitzschnell zubereitet. Etwas aufwendiger gestaltet sich das Ganze, wenn man, wie wir, auf gefüllte Pasta steht und dem Nudelteig farblich etwas auf die Sprünge helfen will. Wir haben die Grautöne des Winters satt und wollen Farbe auf den Teller bringen.
Wenn ich ein Gemüse verabscheue, dann ist es Rosenkohl! Das dachte ich zumindest die letzten 37 Jahre. Bis ich im letzten Jahr den Mut hatte, in einer lauen Frühlingsnacht in New Orleans einen Salat mit rohem Rosenkohl zu bestellen. Mit Jazz im Ohr und dem zweiten Weinglas vor mir – was sollte da schon schiefgehen? Nichts, wie sich zeigte! Denn in roher Form und ganz fein geschnitten (psychologisch übrigens sehr wirksam, das ungeliebte Gemüse bis zur Unkenntlichkeit zu zerkleinern!) fand ich die Rosenkohlblätter plötzlich sogar ziemlich gut. Kein Vergleich zu den verkochten, bitteren Bällchen, die ich aus meiner Kindheit kannte – den penetranten Geruch, der durch das Haus zog, wenn meine Oma Rosenkohl kochte, habe ich heute noch in der Nase.
Nach der Feiertagsvöllerei der vergangenen Wochen, die mal mehr, mal weniger Käse, Zucker und Alkohol sowie aufwendige Kocheskapaden beinhaltete, kehrt hier im Januar wieder etwas Ruhe ein. Statt Ausschlafen sind frühes Aufstehen und (oft vergebliches) Hoffen auf die Pünktlichkeit der Münchner S-Bahn angesagt. Auch in der Küche darf es am Jahresanfang wieder schneller und unkomplizierter zugehen. Und wenn ein ganz einfaches Gericht es dann noch schafft, einen bunten Hauch Fernweh in den grauen deutschen Winter zu bringen, umso besser! Unser orientalischer Milchreis duftet und schmeckt nach Zimt und Kardamom, wird mit Datteln und Dattelsirup (ein letztes Überbleibsel aus Tel Aviv) gesüßt und von knackigen Pistazien gekrönt. Das Ganze funktioniert natürlich auch als Nachtisch, doch bei uns kommt Milchreis immer als vollwertige Mahlzeit auf den Tisch.