Wenn mich jemand fragt, was für mich Heimat bedeutet, muss ich lange überlegen. Ist es der kleine mittelhessische Ort, in dem ich aufgewachsen bin? Dort, wo ich laufen gelernt, im Garten meiner Großmutter gespielt und 19 Jahre meines Lebens verbracht habe? Oder doch eher Marburg, wo unsere erste eigene und gleichzeitig gemeinsame Wohnung lag? Die acht Jahre dort beginnen allerdings schon zu verblassen gegenüber der Zeit in München, wo inzwischen neun Jahre an uns vorbeigeflogen sind und das zehnte begonnen hat. Aber München und somit Bayern Heimat nennen? Das fühlt sich irgendwie komisch an. Also ist Heimat vielleicht gar kein richtiger Ort. Vermutlich denke ich zu klein. Ist Hessen meine Heimat? Oder Deutschland? Oder Europa? Vielleicht ist es auch einfach ein Gefühl, das sich manchmal einstellt – und was kann schon besser Gefühle hervorrufen als Essen?!
Tatsächlich erinnert mich kaum etwas mehr an die Zeit in Hessen als ein großer Teller Grüne Soße (okay, außer Apfelwein vielleicht, aber damit sind auch eher unschöne Jugenderinnerungen verbunden …). Ich denke sofort an den großen Esstisch im Haus meiner Mutter, an dampfende Schüsseln mit Pellkartoffeln. Ich denke an die beiden kläglich gescheiterten Versuche, das geliebte Gericht als Band-Catering bei Konzerten zu etablieren, und an die verwirrten Gesichter der dänischen Indie-Band, die sich wohl fragten, warum die komischen Deutschen nichts Warmes zum Abendessen servieren können. Ich denke an den Umzug nach München, bei dem wir die Helfer_innen mit Grüner Soße aus einer riesigen Schüssel verpflegt haben, oder an einen Ausflug vor die Kamera, bei dem eine Hommage an die Grüne Soße entstanden ist. Ja, für mich liegt die Heimat wohl auf dem Teller – nicht ganz unpraktisch, denn so bin ich nicht an einen Ort gebunden. Überall dort, wo die sieben Grüne-Soße-Kräuter aufzutreiben sind, begegne ich einem Stück Heimat, das sofort für ein wohliges Gefühl sorgt.