Hier muss es gleich sein. Oder doch noch einen Block weiter? Ais Loft zu finden, ist gar nicht so einfach. Alles, was uns zur Orientierung dient, ist ein Straßenname in Brooklyn, keine Hausnummer, irgendein Studio soll es sein. Ob die junge Frau, die schon eine Weile vor uns läuft, wohl das gleiche Ziel hat? Schwarzer Parka, Hornbrille, Jutebeutel – würde schon passen. Andererseits läuft hier in Williamsburg jeder so rum. Als sie zögerlich vor einem Haus stehenbleibt, fragen wir sie, “looking for the supper club?”. Sie nickt und strahlt uns an. Kurz darauf öffnet uns Mat die Tür und heißt uns in seinem ultrahippen New Yorker Loft willkommen. Eine riesige Rauchwolke schlägt uns beim Eintreten entgegen. Hinter dem Dunst ruft jemand lachend “sorry, irgendwas ist angebrannt ….”, dann taucht Ai, die Gastgeberin des Abends, hinter dem Herd in der offenen Küche hervor. Seit gut einem Jahr lädt sie zwei- bis viermal im Monat 14 Fremde zu sich nach Hause ein, kocht für sie, richtet liebevoll Speisen für sie an, mit denen die meisten ihrer Gäste bislang vermutlich noch nie in Berührung gekommen sind. Die Japanerin hat das Kochen von ihrer Mutter gelernt, legt großen Wert auf die Herkunft ihrer Lebensmittel und pflanzt selbst Kräuter und Gemüse auf dem eigenen Rooftop an. Ihren Gästen präsentiert sie ein siebengängiges japanisches Tasting-Menü – vegetarisch oder pescetarisch -, das es mit sämtlichen Sternerestaurants der Stadt aufnehmen könnte. Alles, was wir an dem Abend serviert bekommen, ist so perfekt aufeinander abgestimmt, so wunderschön arrangiert und so anders als alles, was wir bislang von der japanischen Küche kannten: Herbstsalat mit gegrilltem Gemüse, Lotuswurzel, Gartenkräutern, Ponzu-Reduktion und Yuzukoshō-Sahne, Sobanudeln mit Sesamsoße, Algen und Edamame-Bohnen, frittierte Tofu-Mochi gefüllt mit Klettenwurzel und Karotte in einer Pilzsuppe – um nur ein paar der Gänge zu nennen. Unsere Tischnachbarinnen – ein Foodie aus Connecticut, eine pensionierte Lehrerin, die lange in Japan gelebt hat, mit ihrer Enkelin und ein Hipstermädchen aus Williamsburg – zeigen sich ebenso begeistert. Vom Essen, dem Ambiente, den Leuten und den Gesprächen.
Rund 6400 Kilometer entfernt, öffnet auch Julia von Chestnut & Sage seit Kurzem ihre Augsburger Wohnung für hungrige Fremde, stellt herrliche vegetarische und saisonale Menüs zusammen und schafft eine unglaublich angenehme Atmosphäre, die einen sofort vergessen lässt, dass man seine/n Tischnachbar/in gerade einmal fünf Minuten kennt. GastFreude heißt ihr Supper Club, der im August seine Premiere feierte. Dass man den Namen hier wörtlich nehmen darf, ist keine große Überraschung. Die Freude über das gute Essen steht nach dem Menü allen ins Gesicht geschrieben – serviert wird z.B. eine grandiose Melonen-Gazpacho mit Feta, ein würzig-fruchtiger Pfirsich-Kräuter-Salat mit Ziegenkäsemousse, eine mehr als glücklich stimmende Tagliatelle mit Basilikum und Minze und ein Dessert in Form von Birneneis mit Mandelküchlein, das man natürlich aufisst, auch wenn man zwei Minuten vorher dachte, es passe nichts mehr in den Magen.
Mit der Freude am Gastgeben, Teilen und am Genuss sind Ai und Julia nicht alleine, denn bei der Vielzahl der aufkommenden Supper Clubs finden sie sich in bester Gesellschaft und sind Teil einer globalen Gemeinschaft. Denn natürlich kann man nicht nur in New York und Augsburg in fremde Wohnungen reinschnuppern, sondern in vielen weiteren Städten laden Menschen zum kulinarischen Miteinander ein. Zu nennen wären z.B. Tisch & Thymian in München, deren wunderschön inszenierte Abende wir schon seit Langem beiwohnen möchten, Ceci n’est pas un restaurant, die in Frankfurt und Köln zum Suppern einladen und natürlich Astrid Paul – die Queen of Supper Clubs -, die ihre privaten Kochabende in der Nähe von Mainz ausrichtet. Auch diese tollen Fotos lassen hoffen, dass Yannic und Susann von Krautkopf ihre privaten Dinnerabende in Berlin bald fortsetzen werden.
Ein international angelegtes Konzept, das in eine ähnliche Richtung geht, ist der aus Finnland stammende Restaurant Day. Viermal im Jahr tauchen überall auf der Welt Restaurants auf, die nur an diesem einen Tag ihre Pforten öffnen – oft an ungewöhnlichen Orten und mit ungewöhnlichen Konzepten. Am 15.11. ist es wieder so weit und diesmal sind auch wir mit dabei und unterstützen in München das Team der Dirty X Break, das bereits im August einen Brunch im Hukodi ausrichtete. Im Wine on the Rocks in der Lindwurmstraße werden wir abends ein (hoffentlich) tolles viergängiges Menü servieren. Wir sind für die vegetarische Hauptspeise verantwortlich und haben uns einen herbstlichen Teller für euch überlegt. Auf der Facebook-Seite der Dirty Dinner Break findet ihr alle weiteren Infos und vielleicht sehen wir ja den einen oder die andere am kommenden Samstag.
Unser Abend bei Ai in New York endet übrigens mit einer Katze, die durch Reifen springt, vielen neuen Kontakten und einer Vielzahl an kulinarischen Insidertipps, die uns den nächsten Flug nach New York gedanklich schon haben buchen lassen. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass das ganz sicher nicht unser letzter Supper-Club-Abend gewesen sein wird.
Falls ihr nicht gerade schon dabei seid, einen Supper Club in eurer Nähe zu googeln, schaut euch doch mal dieses Video von einem Abend bei Ai an – danach seid auch ihr ganz sicher dem Supper-Club-Fieber verfallen!
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Caféreise um die Welt: The Butcher’s Daughter in New York
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13 Kommentare
Noch ein Grund mehr mal nach New York zu fliegen. Und Augsburg ist eh immer eine Reise wert. 😉 Danke für den tollen Bericht!
12. November 2014 at 14:13LG, Karin
Ach, da lassen sich so viele Gründe finden, liebe Karin. 😉 Und Augsburg ist ja wirklich nur ums Eck. Dem Supperclubben steht also nichts mehr im Weg. 😉
14. November 2014 at 9:22Ich flipp aus! Ein Supper Club in Williamsburg! Ist das cool, ich will auch! Vielleicht muss ich ja mal in Stuttgart eine Supper Club-Bewegung starten 🙂
Liebe Grüße
13. November 2014 at 7:07Carina
Hehe, ja, wir sind auch ganz glücklich, dass wir ihn ganz zufällig noch kurz vor der Reise entdeckt haben und uns 2 Plätzchen sichern konnten. Ha, du könntest uns auf jeden Fall zu den ersten Gästen zählen! 🙂
14. November 2014 at 9:25Auf die Idee im Urlaub einen Supper Club zu besuchen, bin ich noch nicht gekommen. Dabei liegt das ja eigtl nahe. Ich behalte das mal für den nächsten Besuch einer Metropole im Hinterkopf.
13. November 2014 at 8:46Vom C&S Supper Club war ich aber auch recht angetan. Da hatte ich schon vor ein paar Wochen den Bericht und das Video gesehen. Zeigt auf jeden Fall, dass man für einen guten Supper Club nicht zwingend weit reisen muss.
Wir bislang eben auch nicht, dabei ist das wirklich eine tolle Gelegenheit mit Locals ins Gespräch zu kommen, die jede Menge Tipps für einen parat haben! Aber stimmt, weit reisen muss man wirklich nicht – das Gute liegt, wie so oft, ganz nah! 🙂
14. November 2014 at 9:28Oh wow, von Augsburg nach New York in nur einem Atemzug, danke ihr Lieben <3
13. November 2014 at 20:52Zwei Metropolen, zwei kulinarische Highlights. 🙂 Danke dir noch mal für den großartige Abend!
14. November 2014 at 9:29Der Artikel macht gleich wieder hunger – sehr lecker beschrieben hast du deine Erfahrungen. Vielen Dank für die vielen Tipps in ganz Deutschland. Ich werde mich mal dran machen und mir die Termine von den Supper Clubs in München anschauen. Für alle Supper-Club-Fans gibt es übrigens auf der Plattform [Edit: sorry, den Werbelink habe ich entfernt!] eine Vielzahl an Supper Clubs übersichtlich aufgelistet – nach Städten, Cuisine, Preis etc. Da finde ich eigentlich immer ein Event, dass zu meinem Geschmack passt 🙂
26. Februar 2015 at 10:30Was für ne tolle Idee! Wir sind im Juli ein paar Tage in Brooklyn, da guck ich direkt mal, ob wir nicht auch irgendwo eine Supper Club Gelegenheit auftun. Danke für den Tipp!!
4. Mai 2015 at 17:53Wie schade, dass ihr keine Berichte aus Amerikas Südwesten habt, ihr habt so tolle Tipps 😉
Ich drücke die Daumen, liebe Julia! Den Supper Club bei Ai kann ich nur dringend empfehlen – wirklich ganz toll! Haha, und wer weiß – der Südwesten ist sicher auch bald noch mal dran. 😉
5. Mai 2015 at 23:17Darf ich fragen was für eine Camera das ist die so schöne Fotos macht ?
29. August 2019 at 18:07Gruß Schnippelboy
Hallo Sigrun, klar, darfst du! Wir fotografieren mit der Canon 70D – allerdings waren die Lichtverhältnisse hier äußerst schwierig. Abgesehen davon kannst du natürlich auch mit günstigeren Modellen schöne Fotos schießen – das liegt ja in der Regel gar nicht so sehr an der Kamera. 🙂
29. August 2019 at 23:29Viele Grüße
Sabrina