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2022 geht zu Ende und damit für uns ein kochbuchreiches Jahr. Nicht, weil unsere Sammlung um viele neue Kochbücher bereichert worden wäre, sondern weil wir in diesem Jahr besonders viele alte Schätze in die Hand genommen haben. Schuld ist unsere kleine #52Kochbücher-Aktion, bei der wir versucht haben, jede Woche mindestens ein Rezept aus einem anderen Kochbuch auf den Tisch zu bringen. Geklappt hat das zwar nicht ganz so regelmäßig wie erhofft (wir kommen vermutlich auf 40 + x), aber dennoch konnten wir uns dabei alte Kochbuchlieblinge wieder in Erinnerung rufen oder gar nicht mal so tolle Exemplare endlich aussortieren und etwas Platz im Regal schaffen. Platz für Neues! Denn einige spannende Kochbuchneuheiten sind auch in diesem Jahr wieder bei uns eingezogen. Ein paar davon möchten wir euch hier vorstellen – vielleicht entdeckt der/die eine oder andere ja noch ein Kochbuch für den Wunschzettel oder ein Geschenk für ein kochaffines Familienmitglied.
Mit dabei: Eine zweifache Dosis Ottolenghis Test Kitchen mit “Shelf Love” und “Extra Good Things”, eine kulinarische Reise ins vegane Japan mit “Japan Easy Vegan”, die Wiederbelebung handwerklicher Backtradition mit “Neues Backen” sowie ein zitronengelber Gruß aus Gennaro Contaldos italienischer Küche mit “Gennaros Limoni”.
Yotam Ottolenghi und Noor Murad: “Ottolenghi Test Kitchen: Shelf Love”
Worum gehts?
In der Corona-Pandemie musste sich auch das von den Restaurantschließungen betroffene Team rund um Kochbuchstar Yotam Ottolenghi umstellen und konzentrierte sich ganz auf die Rezeptentwicklung. Aus dem, was in diesen Wochen und Monaten in der Testküche im Norden Londons zusammengerührt wurde, entstand mit “Shelf Love” schon bald ein erstes Kochbuch. Unter der Leitung von Noor Murad liegt der Fokus des ersten Bandes der Ottolenghi-Test-Kitchen-Reihe auf dem, was sich schon viel zu lange in Vorratsschrank, Tiefkühler oder der Speisekammer versteckt: eine kaum angebrochene Packung Polenta, exotische Linsensorten oder all die Gewürze, die bislang nur ein- bis zweimal verwendet wurden. Gekocht und gebacken wird mit dem, was da ist. Auf dieser Basis wurden 90 nicht allzu komplizierte Rezepte entwickelt, die durch bestimmte Zutaten oder Zubereitungsmethoden immer klar “nach Ottolenghi schmecken” – z. B. Gnocchi mit Sumach-Zwiebeln und Pinienkernen in brauner Butter, rauchige Pasta mit gerösteter Aubergine und Tahin oder Karottenstampf mit Koriander-Pistazien-Pesto und gepickelten Zwiebeln.
Das mögen wir
Die Reihe kommt optisch zwar etwas unspektakulär daher, hat es aber in sich. Schon beim ersten Durchblättern wollen wir so gut wie alles nachkochen. Die Kombinationen sind gleichzeitig etwas ungewöhnlicher als in früheren Büchern, indem sie die typische Ottolenghi-Handschrift mit gängigeren Zutaten, die jede Speisekammer so hergibt, zusammenbringen. Die Techniken sind dabei dennoch nicht zu kompliziert. Zwar sind die Zutatenlisten gewohnt lang, aber wer schon eine Weile in Richtung Ottolenghi kocht, dürfte einiges davon ohnehin im Regal haben. Gut gefällt uns auch, dass vegetarische und vegane Gerichte dominieren, auch wenn sich Fleisch oder Fisch immer mal wieder finden lassen. Jedes Rezept enthält zudem Vorschläge für Ersatzutaten – das sollte das Variieren noch einfacher machen.
Das gefällt uns weniger
Ja, es ist spannend, einen kleinen Einblick in die Testküche zu erhalten, aber ehrlicherweise könnte “Shelf Love” ohne die Geschichte drumherum auch einfach ein weiteres Ottolenghi-Kochbuch sein. Denn manchmal verlangen die Rezepte eben doch nach einer Reihe von Zutaten, von denen man gerade mal zwei Gewürze in der Vorratskammer hat. Ob es sich bei dem Titel wirklich um ein Buch zum “einfach kochen” handelt, wie das Cover suggeriert, muss wohl jede*r selbst einschätzen. Denn auch wenn die Techniken nicht kompliziert sind, dauert es oft eine ganze Weile, bis das Gericht auf dem Tisch steht. Der schreckliche gummierte Einband und das wenig attraktive Cover müssen an dieser Stelle auch kurz erwähnt werden, aber darüber kommt man beim Blättern schnell hinweg, denn das alles hat natürlich keinen Einfluss auf die Rezepte selbst – die sind unverändert toll.
Ausprobiert
Dass das Buch im Herbst bei uns einzog, merkt man den Gerichten, die wir ausprobiert haben, an: allesamt deftiges Wohlfühlessen. Die Süßkartoffel-Shakshuka mit Sirachabutter und gepickelten Zwiebeln hat hervorragend geschmeckt, ist aber auch ein gutes Beispiel für die doch nicht ganz so simplen Rezepte im Buch. Natürlich ist es toll, dass versucht wird, nachhaltig zu kochen und sogar die Süßkartoffelschalen verwertet werden, aber wir sind skeptisch, ob man sonntagmorgens wirklich Lust auf den Mehraufwand hat, diese auch noch zu krossen Chips auszubacken (schmeckt aber top!). Die orientalischen Mac’n’Cheese mit Zatar-Pesto gehörten definitv zu den mächtigsten Gerichten, die wir in diesem Jahr auf dem Teller hatten – doch kein Grund, diese cremige Gewürzbomben-Pasta nicht trotzdem jederzeit zu wiederholen. Die Spinat-Kartoffel-Pie mit Chermoula war für uns ein wahres Resteessen deluxe – Blätterteig, Feta, Kartoffeln und Dill mussten weg und fanden hier ein wohlig-warmes Zuhause. Würzig und mit ordentlicher Schärfe, aber so ganz rechtfertigt das Ergebnis den Aufwand nicht.
Fazit
“Shelf Love” der Ottolenghi-Test-Kitchen-Reihe ist eine klare Empfehlung, egal ob für langjährige Ottolenghi-Fans oder Neulinge. Die Gerichte treffen fast immer unseren Geschmack und den Inhalt unserer Speisekammer und passen gut in unseren Alltag, zumindest dann, wenn wir bereit sind, ein wenig länger in der Küche zu stehen. 4 von 5 schwarzen Limetten.
Yotam Ottolenghi und Noor Murad, “Shelf Love” aus der Ottolenghi-Test-Kitchen-Reihe, DK Verlag, München 2021, 24,95 €.
Yotam Ottolenghi und Noor Murad: “Ottolenghi Test Kitchen: Extra Good Things”
Worum gehts?
Nach dem Erfolg des ersten Bandes mit Rezepten aus der Ottolenghi Test Kitchen folgte im Herbst 2022 mit “Extra Good Things” gleich der nächste Titel der Reihe. Wieder zeigt sich Noor Murad zusammen mit Yotam Ottolenghi und dem Test-Kitchen-Team verantwortlich für die Kreationen – zu schade, dass wir an der Buchpräsentation mit den beiden in Berlin vor ein paar Wochen nicht teilnehmen konnten. Diesmal prangt kein “einfach kochen” auf dem Cover, was gerade aufgrund des komplexeren Themas ehrlicher erscheint. Im Mittelpunkt stehen diesmal Gerichte mit dem gewissen Extra – sei es ein Topping, eine besondere Soße, ein Frischekick oder aromatisiertes Öl. Feinheiten also, die ein gutes Gericht noch ein bisschen besser machen. Bei all diesen Tricks geht es auch darum, etwas unaufregenderen Gerichten einen “Ottolenghi-Twist”, eben eine besondere Note, zu verleihen. Dementsprechend haben auch hier die Rezepte den gewohnten Levante-Touch und präsentieren Gemüse und Grünzeug in all ihrer Vielfalt.
Das mögen wir
“Extra Good Things” ist noch etwas gemüseorientierter als sein Vorgänger “Shelf Love” und somit für unsere vegetarische Alltagsküche noch idealer. Gut gefällt uns auch das zugrundeliegende Konzept und der damit einhergehende Aufbau des Buchs. Es wird gepickelt und fermentiert, mit Soßen besprenkelt, frittiert und geknuspert, mit Kräutern, Säure und Öl experimentiert. Während mit “Shelf Love” die Speisekammer geleert werden sollte, wird sie hier gefüllt – mit extraguten Dingen, die sich oft lange halten und beinah endlos mit anderen Gerichten kombinieren lassen. So passt eine grüne Chilisoße nicht nur zu den vorgeschlagenen Ful Medames, sondern auch zu Quesadillas; das Kokos-Chutney nicht nur zu Linsenpfannkuchen, sondern auch zu sämtlichen Currys und Dals. Von unserem bereits ausprobierten Dukkah (eine ägyptische Gewürzmischung) ist auch einiges übrig geblieben, das seither auf vielen Gemüsegerichten landet. Wem hier die Kreativität fehlt: Keine Sorge, zu jedem Gericht gibt es entsprechende Tipps.
Das gefällt uns weniger
Ganz ehrlich? Wir haben wenig auszusetzen. Klar, die Gerichte sind eher aufwendig, aber die Ergebnisse waren es bisher alle wert. Nichtsdestrotrotz gilt es das zu bedenken, wenn ihr überlegt, euch das Buch anzuschaffen. Darüber hinaus haben wir das Gefühl, dass die Rezepte eher auf den zweiten Blick überzeugen. Während beim ersten Durchblättern anderer Ottolenghi-Kochbücher gleich eine Vielzahl an Gerichten hängenbleibt, machen die Rezepte aus diesem Buch eher bei näherer Beschäftigung neugierig und überzeugen spätestens, wenn man sich eine Gabel davon in den Mund geschoben hat. Ach ja, und unser Gemecker zur äußeren Gestaltung der Reihe gilt natürlich auch hier.
Ausprobiert
Gleich mit dem Wurzelgemüse mit Harissa-Kichererbsen und Dukkah haben wir einen neuen Ofengemüsefavoriten gefunden. Das Rezept hat uns dazu gezwungen, endlich mal wieder mit Knollensellerie zu kochen und bescherte uns mit der Gewürz-Nuss-Mischung Dukkah ein neues Lieblingstopping. Mit der Blumenkohl-Schawarma mit grünem Tahin haben wir uns eines der umfangreicheren Gerichte ausgesucht. Eine gut bestückte Gewürzschublade ist definitiv von Vorteil, aber es loht sich, die Kombination aus geröstetem Blumenkohl, mariniertem Rotkohl und einer Soße aus Tahin und Petersilie zu probieren, insbesondere wenn man noch frisches Pitabrot dazu serviert. Deutlich schneller standen die Süßkartoffeln mit Goma Dare und knusprigem Tofu auf dem Tisch. Extra good wird das Ganze, weil der Tofu geraspelt und mit Sojasoße und Chili im Ofen geröstet wird. Super Idee und ein fixes, ungewöhnliches Abendessen. Erst vor ein paar Tagen haben wir einen der Nachtische ausprobiert, bei denen immer ein Grundrezept im Mittelpunkt steht, z. B. Kürbis-Karamell-Soße. Mit Bratäpfeln und Roggenbrotbröseln kombiniert, entsteht daraus ein wunderbar weihnachtliches Dessert und unser erster Bratapfel seit vielen Jahren. Die Reste der köstlichen Soße haben uns an den folgenden Abenden sogar noch das Eis versüßt.
Fazit
Eine tolle Sammlung gelingsicherer und raffiniert ausgetüftelter Rezepte. Wer Ottolenghi-Fan ist, wird auch mit “Extra Good Things” glücklich und findet darin viele kleine gute Dinge, mit denen man die Speisekammer bestücken und so auch schnellen Alltagsgerichten eine Prise Ottolengi verpassen kann. Durch das stimmige Konzept und die Gemüselastigkeit gefällt es uns sogar noch ein wenig besser als der Vorgänger. 4,5 von 5 Pinienkernstreuseln.
Yotam Ottolenghi und Noor Murad, “Extra Good Things” aus der Ottolenghi-Test-Kitchen-Reihe, DK Verlag, München 2022, 24,95 €.
Tim Anderson: “Japan Easy Vegan”
Worum gehts?
Denkt man an die japanische Küche, fallen einem sofort Sushi, Kobe Beef oder Ramen ein, Letztere oft mit Schweine- oder Fischbrühe als Basis. Natürlich findet man auch in Japan viele fleisch- und fischfreie Gerichte (siehe unseren Tokio-Guide), doch die Dauerpräsenz von Dashi macht es Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, nicht ganz leicht, essen zu gehen, ohne vorab ein bisschen Recherche betrieben zu haben. Umso schöner, dass Tim Anderson seine Japanreihe mit einem Buch fortgesetzt hat, das sich allein der veganen japanischen Küche widmet und darin 80 klassische und moderne Rezepte präsentiert, von Kimchi-Tofu-Gyoza bis Süßkartoffeln mit getrüffeltem Ponzu. Ein Blick auf die Rezepte von “Japan easy vegan” offenbart, dass es doch eine erstaunliche Vielzahl japanischer Gerichte gibt, die per se pflanzenbasiert sind oder zumindest leicht zu veganen Speisen umgewandelt werden können. Und einfach zuzubereiten sind die meisten obendrein.
Das mögen wir
Erst mal zur Optik: Schon Tim Andersons Vorgängertitel “Tokyo Stories”*, den wir hier vor ein paar Jahren vorgestellt haben, fällt durch seinen extravaganten Einband ins Auge. Schön, dass der Verlag auch Andersons viertem Kochbuch ein opulentes Cover, Goldfolie und einen violetten Farbschnitt verpasst hat.
In gewohnter Manier unterhält Tim Anderson die Leser*innen mit flapsigem Plauderton und witzigen Anekdoten, ohne dabei sein Know-how und seine Liebe für die japanische Küche zu untergraben. Hier und da begegnen einem niedliche nerdige Details, wie die individuellen Schwierigkeitsgrade unter jedem Rezept, die meist mit selbstironischem Augenzwinkern daherkommen: “Als ich dieses Rezept verfasste, warf die Katze eine meiner Pflanzen um – feuchte Erde überall! Sie aufzuwischen, war viel schwieriger, als diesen Eintopf zu kochen.”
Hilfreich und spannend ist auch die Einführung in das Thema Umami. Will man den Kern der japanischen Küche verstehen, kommt man um all things umami nicht herum. Die tiefe Würze, die oft durch Geschmacksträger wie Fleisch oder Bonitoflocken erzielt wird, ist essenziell, wenn man den typischen Geschmack japanischer Speisen auch mit rein pflanzlichen Gerichten einfangen möchte (Spoiler: Nori und getrocknete Pilze sind Wunderwaffen!). Dabei räumt Anderson auch mit Vorurteilen auf, die seit Jahrzehnten rund um Glutamat kursieren (nein, das Zeug ist nicht schädlich; nein, Essen ist nicht minderwertig, weil Glutamat als Gewürz verwendet wurde!).
Das gefällt uns weniger
Ein Punkt, der uns bereits in “Tokyo Stories” genervt hat: Immer mal wieder stößt man auf Ungenauigkeiten oder missverständliche Beschreibungen in den Rezepten. Besonders ärgerlich ist das bei den Butterscotch-Brownies mit Sojasoße, bei denen gefühlt kaum ein Schritt zu dem im Zubereitungstext beschriebenen Resultat führt. Dass am Ende trotzdem ein halbwegs passabler Nachtisch herauskommt, ist fast erstaunlich – gutes Mitdenken ist bei den Rezepten in jedem Fall erforderlich; sie fallen vielleicht doch nicht alle so unkompliziert aus, wie es einem der Autor verkaufen möchte. Sonst gibt es nicht viel zu meckern, die teils puristischen und aufs Wesentliche konzentrierten Fotos sind äußerst ansprechend, die Auswahl der Gerichte ist abwechslungsreich und macht große Lust aufs Ausprobieren.
Ausprobiert
Einiges! Dass das Buch schon eine Weile bei uns wohnt, beweist die Liste der Gerichte, die wir mittlerweile daraus nachgekocht haben, allen voran die geeiste Sōmen mit Edamame und Zitrone, die auch auf dem Blog zu finden ist und uns bestens durch die Hitzewelle im Sommer geholfen hat. Tatsächlich hat das Buch uns den nötigen Tritt verpasst, um uns endlich mal selbst an Ramen zu versuchen. Bereits die erste Nudelsuppe, eine cremige Ramen mit Sesam, Aubergine und Zucchini auf Pilz-Dashi-Basis, war ein voller Erfolg und führte dazu, dass kurz darauf Ramen Nummer 2 vor uns stand (Curry-Ramen) und nun eine eigene Box mit Ramenzutaten in unserer Speisekammer zu finden ist.
Das leicht karamellisierte Selleriesteak mit süßlicher Zwiebelsoße und geröstetem Knoblauch und das Blumenkohl-Katsu-Curry (viel besser als es aussieht) haben uns gleichermaßen begeistert und uns tatsächlich für einen kurzen Augenblick zurück nach Tokio versetzt. Seitdem befinden sich auch kleine Mengen Curry-Roux im Tiefkühlfach, eine glatte würzige Currysoße mit Banane, die schnell ein Reisgericht aufwerten kann.
Fazit
Wer grundsätzlich Fan der japanischen Küche ist, aufgrund vegetarischer oder veganer Ernährungsweise aber oft an deren Grenzen stößt, findet mit “Japan Easy Vegan” ein tolles Buch und Rezepte, die es schaffen, die charakteristischen Aromen des Landes auf pflanzliche Gerichte zu übertragen. Eine spannende Kochreise, bei der man allerdings etwas mitdenken muss. 4 von 5 Onigiri.
Tim Anderson, “Japan Vegan Easy. Klassische und moderne vegane japanische Rezepte”, Südwest Verlag, München 2021, 32 €.
Laurel Kratochvila, “Neues Backen”
Worum gehts?
Laurel Kratochvila, die Betreiberin des von uns gerne besuchten Buchhandlungscafés Fine Bagels in Friedrichshain versorgt nicht mehr nur Berliner*innen mit den vielleicht besten Bagels der Stadt sowie Cinnamon Babka, Rugelach und anderen oft von der jüdischen Küche inspirierten Backwaren, sondern gibt ihr Backwissen nun auch an die Leser*innen ihres im Herbst bei Prestel erschienenen Buchs “Neues Backen” weiter. Darin versammelt sie sowohl eigene Kreationen als auch Traditionsrezepte und moderne Neuinterpretationen von Bäcker*innen aus allen Ecken Europas. 99 Rezepte sind zusammengekommen, von portugiesischen Pão de Deus und polnischen Bialys bis zu französischem Kouign Amann oder Fusion-Backwerken wie Baklava-Plunder. Die Kapitel führen durch Kategorien wie Brote und Brötchen, Brioches und angereicherte Teige, Plunderteig und Blätterteig, Tartes und Plätzchen sowie Konfitüren, Füllungen, Toppings und Cremes. Auf den Seiten dazwischen werden 11 Bäcker*innen porträtiert, die Einblicke in ihre Backkunst gewähren und jeweils eines ihrer Signature-Rezepte beisteuern.
Das mögen wir
Blättert man durch das Buch, fühlt es sich so an, als würde man in einer der angesagten neuen Bäckereien in Berlin, London oder Amsterdam stehen und auf eine prall gefüllte Auslage starren, in der sich die verführerischsten Backwaren aus ganz Europa stapeln. Statt 5 € für ein Croissant ausgeben zu müssen, wird einem beigebracht, wie man solche Köstlichkeiten zu Hause selbst herstellt. Anhand zahlreicher Stepfotos werden in jedem Kapitel Grundteige und -techniken erörtert, die die Basis für viele der vorgestellten Backrezepte liefern. Dank ausführlicher Erklärung und Bebilderung der Grundteige werden so auch Endgegner wie Blätterteig oder Sauerteig nachvollziehbar und verlieren ihren Schrecken.
Ein großer Pluspunkt ist die allgemeine Auswahl der Rezepte. Fast ausnahmslos jedes Rezept ist ansprechend und animiert zum sofortigen Nachbacken, zumal wir im Buch auch einige Backwaren entdecken, die uns bislang unbekannt waren und unsere Neugier geweckt haben.
Das gefällt uns weniger
Die Ausführlichkeit, die bei der Bebilderung und Erklärung der Grundteige an den Tag gelegt wird, vermissen wir an manchen Stellen in den Rezepten selbst. Hier und da wären konkretere Hinweise im Zubereitungstext hilfreich gewesen, z. B. zur Konsistenz des Teigs, wenn dieser sehr feucht und klebrig ausfällt oder zum Einreißen neigt und man als backende Person rätselt, ob das so seine Richtigkeit hat oder irgendwas schiefgelaufen ist. Gerade für unerfahrene Bäcker*innen wären solche Hinweise sicher nützlich.
Florian Domberger, der in Berlin das Domberger Brot-Werk betreibt und u. a. für seinen Zuckerkuchen bekannt ist, ist eines der Bäcker*innen-Porträts gewidmet. Unsere Freude war groß, dass es ausgerechnet der luftige Butterkuchen ins Buch geschafft hat, den wir erst kürzlich in seiner Filiale in der Markthalle Neun probiert haben und der uns aufgrund seiner knackigen Zuckerschicht und – für deutsche Verhältnisse – mutigen Salznote in bester Erinnerung geblieben ist. Irritierend ist allerdings, dass das Rezept im Buch ganz ohne Salz auskommt und hier offenbar doch ein größeres Geheimnis um das Originalrezept gemacht wird. Schade.
Ausprobiert
Zu wenig! Die Ambitionen waren groß, die Backliste lang, die Zeit dagegen bisher zu knapp. Die “heymischen Rugelekh” – Rugelach mit Walnuss-Rosinen-Füllung aus der polnisch-jüdischen Küche, die es sogar schon auf den Blog geschafft haben – waren allerdings ein grandioser Start, der Lust auf mehr macht. Die Basis der kleinen Hörnchen bildet ein leicht säuerlicher Frischkäseteig. Laurel Kratochvila nennt ihn Milchblätterteig und beschreibt ihn als schnellen Ersatz für einen Blätterteig. Tatsächlich kommt die Textur regulärem Blätterteig recht nahe, die Hörnchen sind herrlich blättrig, buttrig und samtig, dabei ist der Frischkäseteig deutlich schneller hergestellt. Das sorgte hier im Haus für wahre Begeisterungsstürme und tagelange “Ahhhs” und “Ohhhs” beim Vernaschen der nussig-fruchtigen Rugelach. Bald wagen wir uns an die anderen Rezepte, die das Plunder- und Blätterteigkapitel bereithält – ich sag nur Challah-Croissants, Marzipan-Mohn-Schnecken und Haselnuss-Chocolatines!
Fazit
“Neues Backen” huldigt mit abwechslungsreichen Rezepten und tiefen Einblicken in die Verarbeitung von Grundteigen der Wiederbelebung handwerklicher Backtradition und langer Teigführung. Das hier abgebildete bunte Spektrum der europäischen Backkunst macht große Lust, sich selbst an den allesamt verführerischen Kreationen zu versuchen. 4,5 von 5 blättrigen Croissants.
Laurel Kratochvila, “Neues Backen. 99 Rezepte aus ganz Europa, von Roggenbrot bis Rugelach”, Prestel, München 2022.
Gennaro Contaldo: “Gennaros Limoni”
Worum gehts?
Im neuesten Kochbuch von Gennaro Contaldo dreht sich alles um Zitronen. Kein Wunder, stammt der italienische Koch doch von der Amalfiküste, wo ihn die gelben Früchte schon von Kindesbeinen an begleitet haben. Der kulinarische Ziehvater von Jamie Oliver und Tim Mälzer will mit “Gennaros Limoni” allen Liebhaber*innen der italienischen Küche zeigen, wie gut Zitronen zu vielen klassischen Gerichten passen. So findet man im Buch z. B. Bruschetta mit Räucherlachs und Zitronen-Mascarpone, Zitronenfrittata oder Biscotti al limone. Es geht also mehr um eine Entstaubung und Aufwertung der Klassiker als um eine Neuerfindung der italienischen Kochkunst.
Das mögen wir
Die eher traditionelle Herangehensweise bedeutet auch, dass das ganze Kochbuch herrlich unkompliziert daherkommt. Kein stundenlanges in der Küche stehen, keine seitenlangen Zutatenlisten oder komplizierte Techniken. Wie erwähnt, sind viele Rezepte an Klassiker der italienischen Küche angelehnt, aber die Zitrone steht bei den Gerichten dennoch stark im Mittelpunkt, was Gerichten wie Lasagne, Gnocchi oder Tiramisu einen ungewöhnlichen Frischekick verleiht. Besonders freue ich mich darüber, dass es das Zitronen-Tiramisu ins Buch geschafft hat – DAS Gericht, mit dem ich Gennaro Contaldo am meisten verbinde. Vor vielen Jahren hat er das zitronige Dessert auf einem Balkon an der Amalfiküste sitzend für Jamie Olivers YouTube-Kanal zubereitet, und seitdem geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Dazu strahlt das Buch ein wunderbares Sommergefühl aus, was durch die helle Gestaltung und die stimmungsvollen Fotos unterstrichen wird.
Das gefällt uns weniger
Die Pluspunkte des Buchs sind gleichzeitig auch seine Schwäche. Die Rezepte sind eben eher simpel, großartige Überraschungen bleiben für alle, die sich schon mal mit der italienischen Küche beschäftigt haben, aus. Rund die Hälfte der Hauptgerichte kommt zudem mit Fisch oder Fleisch daher, aber es handelt sich ja auch nicht um ein vegetarisches Kochbuch. Auch wenn die Fotos eine stimmungsvolle Leichtigkeit transportieren, wirkt die gesamte Gestaltung doch etwas aus der Zeit gefallen und antiquiert. Der für uns größte Kritikpunkt sind aber die nicht immer stimmigen Mengenangaben. Gleich in mehreren Rezepten will das Mengenverhältnis nicht so recht hinhauen und erfordert etwas Nachjustierung, aber dazu gleich mehr. Für unser Empfinden wird die Zitrone teils sehr zaghaft eingesetzt, was bei einem Buch, das die Zitrone so sehr in den Mittelpunkt stellt, etwas merkwürdig ist, sich aber vielleicht damit erklären lässt, dass Contaldo selbst die deutlich aromatischeren Amalfizitronen verwendet. Zum Glück lässt sich die Menge des Zitronensafts oder der -schale aber leicht dem eigenen Geschmack anpassen.
Ausprobiert
Die Tagliatelle mit Kichererbsen, Fenchel und Zitrone sowie das Fenchel-Zitronen-Risotto waren leicht und frisch und werden sicherlich wieder auf dem Teller landen. Bei den Portionen gilt allerdings zu beachten, dass hier wohl an, wie in Italien oft üblich, mehrgängige Mahlzeiten gedacht wurde und die Mengen entsprechend knapp berechnet sind (200 g Nudeln für 4 Personen, hmpf). Bei der Zucchini-Lasagne ist dagegen die Zitronen-Béchamelsoße deutlich zu niedrig angesetzt und erforderte schnelles Improviesieren. Geschmacklich ist sie aber ganz hervorragend.
Fazit
Wer noch kein Dutzend andere italienische Kochbücher im Regal stehen hat und Zitronen liebt, wird mit “Gennaros Limoni” sicher glücklich, zumal viele italienische Klassiker aufgegriffen und mit einem Frischekick aufgewertet werden. Die Rezepte sind ansprechend und leicht umzusetzen, nur sollte man ob der problematischen Mengenverhältnisse ein bisschen mitdenken und besser gleich schon etwas mehr der benötigten Zutaten parat haben. 3,5 von 5 Amalfizitronen.
Gennaro Contaldo, “Gennaros Limoni”, ars vivendi, Cadolzburg 2022.
Hinweis/Werbung: Vielen Dank an die Verlage, die uns Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt haben. Unsere Meinung bleibt davon unberührt. Bei den mit Sternchen (*) markierten Links handelt es sich um Werbelinks. Wenn ihr etwas darüber bestellt, erhalten wir eine kleine Provision, für euch ändert sich der Preis aber natürlich nicht.
1 Kommentar
[…] habe die Idee von Steffen und Sabrina aufgegriffen, wieder mehr Bücher aus dem heimischen Kochbuchregal zur Hand zu nehmen und daraus zu […]
20. Januar 2023 at 13:31