Als Winzer_in aus Kaltern hat man es nicht leicht. Zu schwer trägt die Region noch immer am Ruf des vor allem aus der Vernatsch-Traube gekelterten Weins als billiges Literflaschengesöff. Dagegen anzukämpfen und zu zeigen, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat, ist deswegen erklärtes Ziel der Betriebe rund um den Kalterer See. Denn noch immer ist der “Kalterersee” – so der Name des Weins – tief in Kaltern verwurzelt und steht wie kein anderer für die Seele des Ortes in Südtirol. Wer mehr über den leichten Rotwein erfahren möchte, der früher wie heute durch hohe Trinkbarkeit und ein fruchtiges Aroma besticht, kann natürlich in einem der unzähligen Weingüter der Provinz Bozen zu einer Verkostung vorbeischauen – Auswahl gibt es in der Gegend mehr als genug. Einen umfassenderen Überblick vermittelt allerdings der Besuch eines der vier Kalterer Weinfeste wie beispielsweise das Kalterer Weinkulinarium Anfang Oktober, wenn während der letzten Tage der Ernte der lokale Wein ausgiebig gefeiert wird. Wir haben das Weinkulinarium im vergangenen Oktober besucht, ein kulinarisches Wochenende in Südtirol verbracht, uns dabei durch die verschiedenen Kalterer Weine probieren können und auf diese Weise – denn Übung macht den Meister – viel über Wein gelernt. Aber der Reihe nach …
Auf nach Südtirol
Wir fahren an einem warmen, aber bewölkten Samstagvormittag über die Alpen, freuen uns ungemein, wieder in Italien zu sein, beziehen schnell unser geräumiges Zimmer in Das Wanda mitten in den Weinbergen am Rande von Kaltern und machen uns bald darauf auf in Richtung Dorfmitte. Schon auf dem Weg lachen uns links und rechts der Straße die dicken Trauben an den sich unter dem Gewicht der Früchte biegenden Rebstöcke an und versprechen eine hervorragende Ernte. Je näher wir dem Kalterer Marktplatz kommen, desto weniger benötigen wir den Stadtplan, denn schon bald dringen lauter werdendes Stimmengewirr und Musik an unsere Ohren. Wir biegen um eine Ecke, sehen die ersten Marktstände des Kalterer Weinkulinariums im Schatten der rausgeputzten Kirche und müssen nur noch den durstigen Menschengruppen folgen. Als wir den Marktplatz erreichen, wird auch die Quelle der Musik sichtbar: Eine erstaunlich junge Blaskapelle sitzt in voller Tracht inmitten des Platzes und spielt voller Leidenschaft Südtiroler Volkslieder (so zünftig klingt es allerdings nur am frühen Mittag, später dürfen auch Bands ans Werk, die nicht nur Volkslieder im Repertoire haben). Rundherum sind lange Tischreihen mit Stühlen aufgebaut, dahinter die Stände der Weingüter und am Rand sorgt man sich mit regionalen Spezialitäten um das leibliche Wohl der Besucher_innen.
Kulinarisch übers Kalterer Weinkulinarium
Es sind vor allem Anbieter aus dem Ort, die dafür sorgen, dass der Wein auf eine solide Grundlage trifft. Aber nicht nur lokale Restaurants treffen wir dort, sondern auch die Bauernjugend hat sich zusammengetan und röstet Kastanien für die Gäste des Festes. Es gibt zwar eher Kleinigkeiten, doch die Rotweinnudeln (was sonst?) mit Südtiroler Almkäse oder die Kastanienknödel sind ein guter und leckerer Snack, bevor es zur Weinprobe übergeht. Auch die Käse- und Wurstplatten am Nebentisch sehen gut aus, und wem es zwischen den Weinen eher nach Schokolade gelüstet, kann sich am Stand der Konditorei Alex einen Pralinen-Degustationsteller zusammenstellen lassen – inklusive Pralinen mit einer Füllung aus Weißwein- oder Rotweincreme. Doch wir sind schließlich nicht allein zum Essen hier und gehen nun zum Hauptteil der Veranstaltung über – der Weinverkostung. Wir schnappen uns also an der Kasse ein Probierglas und verschaffen uns erst einmal einen Überblick über die verschiedenen Anbieter.
Die Weinproduzenten aus Kaltern
17 Weinproduzenten drängen sich auf dem historischen Platz – darunter sowohl große Player wie die Kellerei Kaltern – eine Winzergenossenschaft mit 400 Mitgliedern – als auch winzige Familienbetriebe. Und so unterschiedlich die Winzer_innen auch sind, so verbindet viele doch noch immer der Rotwein aus der Vernatsch-Traube. 80% der Anbauflächen waren früher einmal davon bedeckt; dass es heute nur noch gut 30% sind, hat der Qualität des Kalterersee-Weins in der Tat gutgetan. Überhaupt ist bald klar, dass man hier nur selten mal mit einem Glas danebenliegt, denn die Produzenten sind angehalten, nur die besten Rot- und Weißweine mit zum Kulinarium zu bringen.
Kellerei Kaltern
Wir starten am Stand der Kellerei Kaltern, die mit 550 Hektar Fläche der größte Produzent vor Ort ist. Auch hier ist der rote Kalterersee der Bestseller, aber auch die übrigen Weine können überzeugen. Besonders gut schmeckt uns der Weißburgunder Vial 2015, der auf 550 Meter Höhe angebaut wird und sich mit seinen frischen, würzigen Apfelaromen auch super als Aperitif eignen würde.
Weingut Klosterhof
Geradezu winzig erscheint dagegen ein Betrieb wie das Weingut Klosterhof, wo auf gerade einmal 3,5 Hektar Trauben angebaut werden. 25.000-30.000 Flaschen ergibt das im Jahr, vor allem Weiß- und Blauburgunder sowie selbstverständlich Kalterersee. Auch hier ist es der Weißburgunder Trifall 2015, der uns besonders gefällt. Er gedeiht auf 450 Höhenmetern und gärt und lagert in Akazienholzfässern, die dem Weißwein ein fruchtiges Aroma von Apfel und Honig verleihen. Spannend ist der Klosterhof nicht allein wegen seiner Weine, sondern auch aufgrund des zum Weingut gehörenden Hotels mit Wein-SPA. Ja, richtig gehört – ein Wein-SPA! Das hört sich so toll an, dass wir uns schon gedanklich in den Whirlpool-Weinfässern oder in der Winzersauna sehen.
St. Quirinus & Tröpfltalhof
Neue Wege gehen auch die Besitzer von St. Quirinus und dem Tröpfltalhof. Bei Ersteren kann man Urlaub auf dem modernen Bio-Bauernhof machen und sich am Abend mit einer der 13.000 Flaschen des jungen Weinguts vergnügen, die hier jährlich abgefüllt werden. Der biodynamische Weißwein Planties Weiss 2015 überzeugt uns mit Fruchtigkeit und Mineralität, und man merkt dem Säuregehalt die kalte Luft im Anbaugebiet an. Recht herb, mit deutlichen Apfel- und Pfirsichnoten und viel Charakter. Noch übersichtlicher geht es auf dem Tröpfltalhof zu, wo gerade einmal 10.000 Flaschen im Jahr abgefüllt werden. Was diese Weine von der Masse abhebt? Möglichst wenig menschlicher Einfluss. Alle Sorten sind spontanvergoren und es erfolgt keine Temperaturkontrolle. Erstaunlicherweise kommen dabei gut trinkbare Bio-Weine heraus wie der weiße Le Viogn 2015, der kantig und fruchtig im Glas umherschwappt.
Kellerei Ritterhof
Zu guter Letzt schauen wir am Stand der kleinen, familiengeführten Kellerei Ritterhof vorbei, deren 7,5 Hektar eigene Weinberge sich in direkter Umgebung zu ihrem in Kaltern am See gelegenen Weingut befinden und mit acht unterschiedlichen Rebsorten bestockt sind. Begrüßt werden wir mit einem der beliebtesten Weine der Kellerei, einem hervorragenden Gewürztraminer 2015 – in der Nase floral, im Geschmack jedoch kräftig.
Auch wenn wir es längst nicht schaffen, bei allen Ständen des Weinkulinariums vorbeizuschauen, haben wir an diesem Tag dennoch viel über die Weinregion Kaltern gelernt, deren Mikroklima ideale Voraussetzungen für die verschiedenen Rebsorten bietet. Vom oberen Ende des Marktes überblicken wir noch einmal das Gewusel in dem kleinen Ort und nehmen die Stimmung in uns auf. Hier gefällt es uns, es ist viel ungezwungener, als beispielsweise bei den Weinfesten am Münchner Odeonsplatz – die Winzer_innen sind offen, redselig und nehmen sich die Zeit, auch Laien die Besonderheiten ihrer Weine zu erklären. Für günstige 2€ pro Verköstigung werden die Probiergläser auch noch äußerst großzügig befüllt. Wir haben einen schönen Überblick bekommen, wissen nun, was den Wein in Kaltern ausmacht und drücken die Daumen, dass sich in ein paar Jahren niemand mehr an den Ruf der früheren Weine erinnern wird. Die Winzer_innen hätten es verdient.
Wer sich einen umfassenderen Überblick über die Kalterer Weine verschaffen möchte, kann das beispielsweise über die Initiative der Weinwirtschaft Kaltern, zu der aktuell 24 Weinproduzent_innen zählen. Am besten erlebt man die Weine jedoch selbst im Rahmen von einer der vielen Veranstaltungen, die jährlich in Kaltern stattfinden: zum Beispiel dem Kalterer Weinwandertag am 23. April, Kaltern ganz in Weiß am 20. Juni oder eben dem Kalterer Weinkulinarium, das in diesem Jahr am 7. Oktober gefeiert wird.
Hinweis: Vielen Dank an Südtirols Süden und den Tourismusverein Kaltern am See, die einen Teil unserer Reise nach Südtirol unterstützt und uns zum Besuch des Weinkulinariums eingeladen haben. Unsere Meinung bleibt davon, wie immer, unberührt.
5 Kommentare
Wir haben schon einige Weinfeste in Südtirol (auch Kaltern) mitgemacht. Immer wieder schön, tolle Atmosphäre!! Im Mai steht die nächste Tour an.
1. Februar 2017 at 23:53Ja, die Atmosphäre fanden wir auch toll – irgendwie entspannter und lockerer als die Weinfeste, die wir aus München kennen. Wohin genau gehts im Mai?
3. Februar 2017 at 7:59Danke für diesem informativen Artikel….der aufräumt mit den alten Vorurteilen ! Es gibt hier fantastische Weine und engagierte Winzer wie Sölva ….und das Weinhaus Punkt am Marktplatz !
5. Februar 2017 at 9:44Vielen Dank für die netten Worte, das freut uns! Das Weinhaus Punkt ist notiert für unseren nächsten Besuch in Kaltern.
9. Februar 2017 at 12:02Toller Beitrag, sehr schöne Fotos! Als Kaltererin kann ich die Weinwandertage nur wärmstens empfehlen. Dort kann man nicht nur alle möglichen Weine verkosten und traditionelle Südtiroler Gerichte wie z.B. Polenta essen. Sondern man hat auch die Möglichkeit, die Weinkeller selbst anzuschauen und eine kleine Führung dafür zu bekommen.
1. Januar 2021 at 17:50