Der Craft-Beer-Trend reißt einfach nicht ab. Nachdem inzwischen nicht nur die großen Getränkekonzerne eigene Pale Ales auf den Markt werfen, sondern Doppelbock und Zwickerl sogar beim Discounter zu finden sind, ist es kein Wunder, dass die Craft-Beer-Welle auch auf den Kochbuchmarkt überschwappt. Eines der schönsten neuen Bücher, das Bier und Kochen miteinander verbindet, ist vor einiger Zeit bei uns eingezogen und hat uns bereits u.a. eine extrem leckere Sauerkrautpizza mit dunklem Hefeweizen im Teig beschert.
“Craft Beer Kochbuch” nennt sich das im Brandstätter Verlag erschienene Werk ganz schnörkellos. Geschrieben wurde es von Torsten Goffin und Stevan Paul, fotografiert von Daniela Haug. Zumindest Zweitgenannter sollte den geneigten Kochbuchkäufer_innen ein Begriff sein. Wer Stevan Pauls bisherige Bücher oder seinen Blog Nutriculinary kennt, ahnt, dass sich auch hinter diesem Titel ein ansprechendes und hochwertiges Buch verbirgt.
Worum gehts?
Der Titel verspricht ein Craft-Beer-Kochbuch, also Rezepte nicht nur zum, sondern auch mit Bier; nicht nur Foodpairing, sondern eben auch Bier in der Soße, Bier im Teig und Bier im Nachtisch. Denn bisher, so die Autoren im Vorwort, sei der Verbindung von Essen und Bier noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dementsprechend will das Buch auch Grundlagenforschung betreiben und präsentiert auf den 240 Seiten nicht nur 44 Rezepte, sondern auch massig Infos zum weiteren Themenfeld. So wird z.B. erklärt, welche Regeln beim Foodpairing mit Bier hilfreich sind, ohne dabei dogmatisch zu werden. Das Buch möchte Anstöße geben und die Leser_innen auffordern, die spannende Welt des internationalen Craft-Beer-Booms zu entdecken.
Aufbau & Optik
Beim ersten Durchblättern fallen die vielen Fotos und das dicke, matte, griffige Papier auf, das für eine robuste, zum Thema passende Haptik sorgt. Auch das recht dunkel gehaltene Layout stimmt gut in die Thematik des Buchs ein. Ein nettes Gimmick ist übrigens im Einband in Form eines Bierdeckels versteckt. Nun aber zum Inhalt: Die ersten 20 Seiten beschäftigen sich mit den Grundlagen des Brauens, der Geschichte des Kulturguts Bier von Ägypten bis Brooklyn und des Hopfens, aber auch mit der Wahl des richtigen Glases (hier liegt der Fokus auf dem Angebot von Spiegelau, über deren Gläser wir ja auch schon berichtet haben) und mit dem Thema Foodpairing. Damit ist klar, dass sich das Buch nicht nur an Expert_innen richtet, sondern auch Leser_innen abholt, die Bier bisher nur im Sonderangebot gekauft haben. Für interessierte Laien oder gar Hobbybrauer_innen dürften die Kapitel, in denen Bier auf Essen trifft, wohl den größten Neuigkeitswert bieten. Da allerdings alle Texte von Torsten Goffin interessant und kenntnisreich verfasst wurden, sind alle Exkurse auch für diejenigen spannend, die schon etwas Vorwissen mitbringen und können vielleicht sogar der Auffrischung des eigenen Wissens dienen. Im Hauptteil des Buchs wechseln sich Rezepte, Infoseiten zu den wichtigsten Bierstilen und Reportagen zu 15 verschiedenen Brauereien ab. Letztere porträtieren zum einen Größen der Szene, die man auch aus anderen Büchern kennt, wie Schneider, Ale-Mania, Sierra Nevada oder de Molen, aber auch unbekanntere Bier-Aficionados, wie Feral aus Australien, BRLO aus Berlin oder Vormann aus Hagen-Dahl, werden auf jeweils sechs Seiten in Text und Bild vorgestellt. Ähnlich wie im “Craft-Bier-Buch” von Sylvia Kopp erfährt man viel über die jeweiligen Eigenheiten der Brauereien, und zumindest bei mir ist die Liste der zu probierenden Biere wieder einmal um dutzende Flaschen und Dosen gewachsen.
Die Rezepte
Die Rezepte sind in fünf Kategorien unterteilt: Vorspeisen, Fisch, Fleisch, Klassische Bierküche und Desserts. Wer genau aufgepasst hat, dem sollte aufgefallen sein, dass ein Kapitel mit vegetarischen Rezepten ausbleibt. Damit wären wir auch schon beim für uns größten Kritikpunkt, denn für nicht-fleischessende Haushalte ist das Buch nicht uneingeschränkt geeignet. Auch bei den kleineren Gerichten liegt der Fokus auf Fleisch und Fisch, was 2016 in der Tat etwas schade ist und wo ich mir von Stevan Paul etwas mehr Mut gewünscht hätte. Wer allerdings nicht auf Fleisch und Fisch verzichtet, der findet hier tolle Gerichte, die zwar oft das Klischee deftiger Wirtshausküche bedienen, aber gerade im Fisch-Kapitel auch sanftere Töne anschlagen. Man merkt außerdem, dass dies nicht Stevan Pauls erstes Kochbuch ist, denn die Rezepte sind logisch aufgebaut, unbekanntere Zutaten oder Zubereitungsmethoden werden erklärt und alte Klassiker mit ungewöhnlicheren Zutaten aufgefrischt (das Schnitzel kommt z.B. vom Hirsch und wird mit einer Kartoffel-Zitronen-Gremolata verfeinert). Neben der wirklich sehr leckeren Sauerkrautpizza haben wir auch den Cheeseburger mit Bierzwiebeln probiert, der uns ebenfalls ziemlich gut geschmeckt hat.
Jedes Rezept wird durch eine (sehr gelungene) zweigeteilte Bierempfehlung ergänzt. Zum einen werden ganz allgemeine Stile oder Geschmackstypen empfohlen, zum anderen gibt es immer auch “die besondere Empfehlung” mit ein oder zwei Bieren, die perfekt zum Gericht passen. Glücklicherweise sind die Autoren dabei auf dem Teppich geblieben und haben nicht nur Raritäten ausgewählt, sondern empfehlen größtenteils gut erhältliche Biere.
Fazit
Ein rundum gelungenes und durchdachtes Buch in schöner Optik, das nicht einfach auf der Craft-Beer-Welle mitsurft, sondern diese vielmehr voranbringt. Einzig ein wenig mehr Rücksicht auf vegetarische Craft-Beer-Fans hätten wir uns gewünscht. 4 von 5 Bierdeckeln.
Stevan Paul, Torsten Goffin, Daniela Haug
Brandstätter Verlag, Wien 2015
€ 34,90
Vielen Dank an den Brandstätter Verlag, der uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
2 Kommentare
Stimme euch da absolut zu – die vegetarischen Rezepte sind mir auch abgegangen aber das Buch ist toll recherchiert, hat ein schönes Layout und man lernt so nebenbei eine Menge 🙂
5. Februar 2016 at 17:54Liebe Grüße, Ela
Ja, wirklich schade und auch so unnötig. Aber scheinbar ist das Thema nach wie vor testosteronbeladen – und man weiß ja, dass Männer immer nur Fleisch essen! 😉 Aber sonst, wie du schon schreibst, wirklich ein sehr schönes Buch.
11. Februar 2016 at 14:40